Die nächste Generation – zwischen Mut und Mauern
Loslassen. Weitergeben. Gestalten.
Nachfolge ist mehr als ein Übergabetermin. Wie Familienunternehmen mit Klarheit, Vertrauen und gemeinsamer Kultur den Generationenwechsel erfolgreich gestalten, statt an Konflikten oder stillen Erwartungen zu scheitern.

Wer übernimmt? Wann? Und wie?
Wenn Unternehmer:innen ihr Lebenswerk an die nächste Generation übergeben, steht viel auf dem Spiel. Nicht nur ein Unternehmen, sondern oft auch die eigene Identität und wirtschaftliche Sicherheit. Doch die größte Herausforderung ist selten juristisch oder steuerlich. Sie ist menschlich.
Nachfolge ist ein Übergang von Verantwortung, Einfluss und Vertrauen. Ein Prozess, der sowohl die scheidende Generation als auch die Nachfolger:innen emotional und strukturell fordert.
Warum Nachfolge mehr ist als ein Vertrag
Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe braucht mehr als einen passenden Nachfolger oder eine ausgeklügelte Strategie. Sie ruht auf drei unverzichtbaren Säulen, die zusammen den Boden für eine nachhaltige und faire Nachfolge schaffen:
Finanzielle Sicherheit Damit die abgebende Generation im Ruhestand unabhängig vom Unternehmenserfolg auf verlässliche Einnahmen bauen kann. So wird echtes Loslassen ohne existenzielle Ängste möglich.
Psychologische Sicherheit Damit alle Beteiligten in einer Atmosphäre von Vertrauen und Respekt zusammenarbeiten. Fehler dürfen gemacht, Zweifel geäußert und neue Wege ausprobiert werden. Ohne Angst vor Abwertung.
Kulturelle und kommunikative Sicherheit Damit Werte, Unternehmenskultur und Rollen im Wandel gemeinsam gestaltet werden. Offene Gespräche, klare Absprachen und der Einbezug aller Mitarbeitenden schaffen einen stabilen Rahmen für Entwicklung und Zusammenhalt.
Loslassen ist schwer, Vertrauen noch schwerer
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer der älteren Generation ist das Unternehmen ein Lebens- und Beziehungswerk. Es symbolisiert nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch Identität, Stolz und die eigene Handschrift. Loslassen fällt daher nicht leicht. Oft fehlt das Vertrauen in die Fähigkeiten der Nachfolge, sei es aus Sorge um die Kontinuität, Werte oder fachliche Kompetenzen.
Ein weiterer Aspekt liegt in der Gefahr der finanziellen Unsicherheit. Wenn die Altersvorsorge mit dem Unternehmen verknüpft ist, entsteht eine natürliche Angst vor Veränderungen. „Was ist, wenn meine Nachfolge das Unternehmen nicht so führt, dass mein Ruhestand gesichert ist?“ Eine oft unausgesprochene, aber zentrale Frage. Hier braucht es tragfähige, wirtschaftlich abgesicherte Modelle der Übergabe.
Wollen ist nicht gleich Können und umgekehrt
Auch auf Seiten der jüngeren Generation gibt es Herausforderungen. Der Wille, das Familienunternehmen weiterzuführen, ist nicht selbstverständlich. Der Druck, in eine Rolle hineinzuwachsen, die nicht den eigenen Talenten oder Lebenszielen entspricht, kann zu inneren Spannungen führen.
Gleichzeitig fehlt es häufig an gezielter Vorbereitung: Die nächste Generation “übernimmt irgendwann mal”, ohne dass eine Entwicklungsstrategie vorhanden ist. Ohne klare Rollen und Entwicklungspfade wird aus Potenzial schnell Überforderung und aus Ambition Unsicherheit.
Neue Ideen, alter Einfluss
Unklare Strukturen (z.B. diffuse Zuständigkeiten und informelle Entscheidungswege) und informelle Rollen wie die ‚Allroundkraft‘ bremsen nicht nur Innovation, sie verhindern auch, dass Verantwortung an der richtigen Stelle übernommen wird. Wo keine definierten Verantwortlichkeiten bestehen, können sich weder neue Führungsstile noch moderne Prozesse entfalten. Die nächste Generation stößt gegen Wände: Sie soll innovativ sein, aber bitte nicht zu sehr verändern.
Dabei wäre gerade Veränderung dringend notwendig. Vor allem in Bezug auf Digitalisierung, agile Arbeitsmethoden und zeitgemäße Kommunikation. Doch viele etablierte Führungskräfte fremdeln mit diesen Themen oder nehmen sie als Bedrohung wahr.
Zwei Welten, zwei Führungsstile
Ein häufig unterschätzter Aspekt ist der kulturelle Unterschied in der Führung. Während die ältere Generation oft autoritär oder hierarchisch geprägt ist, denkt die jüngere Generation in partizipativen, transformationalen Führungsstilen. Sie will Sinn vermitteln, Räume öffnen, Feedback integrieren.
Wenn diese Ansätze aufeinanderprallen, entstehen Konflikte: Die neue Generation fühlt sich blockiert, die alte nicht mehr ernst genommen. Dabei braucht es gerade in der Übergangsphase eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen Unterschieden und ein gemeinsames Verständnis davon, wie Führung im Unternehmen künftig aussehen soll.
Kultur: Zwischen Tradition und Transformation
Oft vernachlässigt wird beim Generationenwechsel die Frage nach der Unternehmenskultur und den gelebten Werten. Die ältere Generation hat häufig ein tief verankertes Verständnis davon, „wie man Dinge hier macht“: Implizite Regeln, informelle Machtstrukturen, ein bestimmter Ton.
Die nächste Generation bringt neue Vorstellungen mit, etwa in Bezug auf Diversität, Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit oder Führungsverständnis. Werte und Kultur sind jedoch nicht einfach zu „vererben“ sie müssen gemeinsam reflektiert, angepasst und weiterentwickelt werden.
Mitarbeitende aktiv in den Wandel einbinden
Der Wechsel an der Spitze betrifft nicht nur die Familie oder Geschäftsführung, sondern das gesamte Unternehmen. Mitarbeitende können verunsichert sein: Bleiben meine Aufgaben gleich? Wird meine Leistung anders bewertet? Muss ich mich an einen neuen Führungsstil gewöhnen?
Eine gezielte Einbindung der Mitarbeitenden in den Übergangsprozess kann helfen, Ängste abzubauen und Vertrauen zu schaffen. Dazu gehört Transparenz ebenso wie die Beteiligung an Veränderungsprozessen. Wer seine Belegschaft aktiv mitnimmt, erhöht nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die Bindung – ein zentraler Erfolgsfaktor in Zeiten des Fachkräftemangels.
Kommunikation auf Augenhöhe statt stiller Vorwürfe
Ein zentrales Muster, das wir immer wieder beobachten, ist die fehlende offene Kommunikation. Erwartungen werden nicht ausgesprochen, Ängste nicht geteilt, Potenziale nicht benannt. Stattdessen entstehen Missverständnisse, unausgesprochene Vorwürfe und Rückzug.
Ein professionell begleiteter Dialogprozess kann hier Wunder wirken: Wenn beide Seiten ihre Perspektive schildern und gegenseitige Bedürfnisse verstehen lernen, entsteht eine Basis für Vertrauen – und damit für eine echte Übergabe. Schweigen baut Mauern, Gespräche reißen sie ein.
Was es braucht, damit der Generationswechsel gelingt
Ein Generationenwechsel ist kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess – und dieser sollte frühzeitig, strukturiert und professionell begleitet werden. Erfolgreiche Übergaben benötigen Struktur und Haltung. Diese zwei Dimensionen lassen sich in folgende Erfolgsfaktoren unterteilen:
Strukturelle & organisatorische Voraussetzungen
- Frühzeitige Nachfolgeplanung und Entwicklung
- Klare Strukturen und Zuständigkeiten
- Sicherstellung der finanziellen Unabhängigkeit der abgebenden Generation
- Begleitung durch externe Beratung oder Mediation
Kulturelle & zwischenmenschliche Erfolgsfaktoren
- Offene Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung
- Einbindung der Mitarbeitenden in den Prozess
- Wertedialog und gemeinsame Entwicklung der Unternehmenskultur
- Raum für Veränderung – bei gleichzeitiger Würdigung des Bestehenden
Der Wandel kann gelingen, wenn beide Generationen bereit sind, aufeinander zuzugehen, zuzuhören und gemeinsam Verantwortung zu tragen.