Zwei Welten, zwei Führungsstile
Führung im Wandel der Generationen
Wenn Erfahrung auf Erneuerung trifft. Wie Unternehmen von unterschiedlichen Führungsstilen profitieren und was es braucht, damit der Generationenwechsel zur Chance für Kulturwandel, Zusammenarbeit und Zukunftsfähigkeit wird.

Montagmorgen, Projektbesprechung: Herr Keller, 65, geht gewohnt zügig die Agenda durch und erteilt klare Anweisungen. Nina, 34 und seit Kurzem Teil des Führungsteams, meldet sich zu Wort. Sie schlägt vor, das Team stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden und eine offene Feedbackrunde einzuführen. Herr Keller runzelt die Stirn – „Dafür haben wir keine Zeit.“ Nina schweigt, aber in ihrem Blick liegt Enttäuschung.
Ein häufiges Bild: Zwei Generationen, zwei Führungsverständnisse und mittendrin junge Führungskräfte wie Nina, die mit neuen Ideen an alten Strukturen rütteln.
Besonders in traditionellen Branchen halten Führungskräfte der älteren Generation häufig noch an autoritären Strukturen fest. Die jüngere Generation hingegen strebt nach flacheren Hierarchien, mehr Partizipation und einem kooperativen Führungsstil, der auf Eigenverantwortung, Mitgestaltung und persönlicher Weiterentwicklung basiert. Das Aufeinandertreffen dieser beiden Führungswelten birgt Spannungspotenzial aber auch die Chance, voneinander zu lernen und gemeinsam eine zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu gestalten. Um den Wandel besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück:
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere zwischen den 1950er und 1980er Jahren, war der autoritäre Führungsstil weit verbreitet. Klare Hierarchien, strikte Entscheidungsprozesse und eine starke Trennung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden prägten den Arbeitsalltag. Die Wirtschaft galt in vielen Bereichen als stabil. Routinen und planbare Abläufe wurden als Ausdruck von Effizienz verstanden. Von Mitarbeitenden wurde erwartet, Aufgaben gewissenhaft auszuführen, ohne sie zu hinterfragen. Der autoritäre Führungsstil passte in dieses Umfeld.
Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich mit dem Aufkommen neuer Arbeitskonzepte, der stärkeren Betonung von Selbstverantwortung und einer veränderten Einstellung zu Arbeitsbeziehungen ein Trend hin zu mehr partizipativen und transformationalen Führungsansätzen entwickelt.
Der autoritäre Führungsstil: Klarheit durch Hierarchie
Autoritäre Führung folgt dem Prinzip klare Hierarchien, schnelle Entscheidungen, wenig Mitbestimmung. Führungskräfte treffen Entscheidungen geben exakte Anweisungen und kontrollieren deren Umsetzung. Dieser Ansatz kann vor allem in Krisensituationen oder bei komplexen Aufgaben von Vorteil sein da er Orientierung und klare Verantwortungsbereiche schafft.
Langfristig birgt dieser Führungsstil jedoch Risiken. Wird ausschließlich autoritär geführt kann sich eine sogenannte Gehorsamskultur entwickeln. Mitarbeitende orientieren sich stärker an den Erwartungen der Führungskraft als an gemeinsamen Zielen. Eigenverantwortung Innovationsbereitschaft und Fehleroffenheit bleiben auf der Strecke. Genau jene Faktoren, die für Agilität und kontinuierliche Verbesserung unerlässlich sind.
In einer dynamischen digital geprägten Arbeitswelt erweist sich autoritäre Führung daher oft als zu starr. Weil Entscheidungen zentralisiert getroffen werden und Rückmeldeschleifen fehlen reagieren Unternehmen mitunter zu spät auf neue Anforderungen ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Hinzu kommt Der geringe Gestaltungsspielraum für Mitarbeitende kann die Beziehung zur Führungskraft belasten. Ohne Mitbestimmung entsteht leicht eine distanzierte, formalisierte Zusammenarbeit, in der Vertrauen und Motivation verloren gehen.
Transformationale Führung: Motivation durch Sinnstiftung
Im Gegensatz dazu setzt die transformationale Führung auf Inspiration, individuelle Förderung und die Entwicklung einer gemeinsamen Vision. Führungskräfte agieren als Vorbilder, fördern die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeitenden und regen zur intellektuellen Auseinandersetzung an. Diese Art der Führung fördert nicht nur die Arbeitszufriedenheit und das Engagement der Mitarbeitenden, sondern auch deren Kreativität und Innovationsfähigkeit. Studien zeigen, dass transformationale Führung zu einer höheren Effektivität und Leistungsbereitschaft innerhalb von Teams führt.
Allerdings erfordert dieser Führungsstil ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz, Kommunikationsfähigkeit und Reflexion seitens der Führungskraft. Wenn die visionäre Führung nicht glaubwürdig wirkt oder der Rahmen für Beteiligung fehlt, kann sie schnell ins Leere laufen. Zudem besteht die Gefahr, dass Mitarbeitende überfordert werden, wenn Verantwortung und Gestaltungsfreiheit nicht mit ausreichender Unterstützung einhergehen. Auch braucht transformationale Führung Zeit. In sehr hektischen oder strukturierten Umfeldern kann das als zu langsam oder vage wahrgenommen werden.
Generationen im Spannungsfeld der Führungskulturen
Die unterschiedlichen Führungsstile spiegeln oft die Werte und Erfahrungen der jeweiligen Generationen wider. Während die ältere Generation in einer Zeit aufgewachsen ist, in der Hierarchien und klare Anweisungen vorherrschten, legt die jüngere Generation mehr Wert auf Partizipation, Feedback und Sinnhaftigkeit in der Arbeit.
Konflikte entstehen beispielsweise dann, wenn junge Führungskräfte neue Impulse setzen wollen und auf Strukturen treffen, die Veränderung ausbremsen. Umgekehrt fühlen sich erfahrene Führungskräfte womöglich nicht ausreichend gewürdigt, wenn ihre langjährigen Erfahrungen und bewährten Methoden hinterfragt werden.
Rein autoritäre oder ausschließlich transformationale Führung sind in der Praxis selten. Häufig handeln Führungskräfte situativ, ohne sich explizit einem Führungsstil zuzuordnen. Erfolgreich ist dabei oft, wer flexibel auf Anforderungen reagiert und situativ passende Elemente beider Ansätze integriert.
Wie können sich die beiden Stile ergänzen?
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie das gelingen kann: In einem mittelständischen Produktionsbetrieb stand kurzfristig die Einführung einer neuen Maschinenlinie an. Der erfahrene Geschäftsführer entschied zügig, wer welche Aufgaben übernimmt. Ohne lange Diskussion. Das Team war dankbar für die klare Ansage in einer stressigen Phase. Nur wenige Wochen später ging es um eine strategische Neuausrichtung der Produktpalette. Hier übernahm die junge Co-Geschäftsführerin die Moderation eines Team-Workshops, bei dem neue Ideen mit vollem Engagement der Belegschaft entwickelt wurden.
Zwei Situationen, zwei Führungsstile und gemeinsam ein starkes Ergebnis.
Wege zur Integration beider Führungsansätze
Ein erfolgreicher Generationenwechsel in der Führung erfordert ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Führungsstile und deren Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Folgende Ansätze können helfen, die Stärken beider Führungsstile zu integrieren:
- Dialog fördern: Offene Gespräche über Erwartungen, Werte und Führungsverständnisse schaffen Verständnis und Vertrauen zwischen den Generationen.
- Gemeinsame Vision entwickeln: Eine klare, gemeinsam erarbeitete Vision kann als Leitfaden für die zukünftige Führungskultur dienen.
- Mentoring-Programme etablieren: Erfahrene Führungskräfte können ihr Wissen weitergeben, während sie gleichzeitig von den neuen Perspektiven der jüngeren Generation profitieren.
- Flexibilität ermöglichen: Die Kombination aus klaren Strukturen und Raum für Innovation fördert eine dynamische und anpassungsfähige Unternehmenskultur.
Fazit: Gemeinsam in die Zukunft führen
Der Wandel hin zu stärker partizipativen und transformationalen Führungsansätzen erweitert das Repertoire moderner Führung, ohne traditionelle Elemente völlig zu verdrängen. Er bietet die Chance, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die sowohl Stabilität als auch Innovation ermöglicht. Wer beide Führungsstile verbindet, schafft eine Brücke zwischen Tradition und Zukunft: Ein Miteinander mit Weitblick, und das Fundament für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Der Austausch über Führung ist wichtiger denn je. Wo erleben Sie Reibung und wo entstehen neue Chancen durch unterschiedliche Führungsstile in Ihrem Unternehmen?